\ Archiv \ Der endlos tippende Affe
Uraufführung | Auftragswerk
B I L D E R - G A L E R I E
Setzte man einen Affen vor eine Schreibmaschine und ließe ihn bis in alle Ewigkeit tippen, würde er an einem bestimmten Punkt die gesamte französische Nationalbibliothek - in der korrekten Reihenfolge der katalogisierten Bestände mitsamt Druck- und Rechtschreibfehlern - abgetippt haben. Aber was hat das alles damit zu tun?, ruft Kurt Schwepper und schaut auf seine Finger, durch die der Sinn des Ganzen gerade gerieselt zu sein scheint. Das klingt mir sehr nach Theater, sagt der Roman, der peinlich berührt nach seiner Brille tastet. Kurt Schwepper steht dem Weinen nahe, der Roman schaut durch seine Brille, die er immer noch nicht gefunden hat, und erklärt: Auch ich bin nur ein Affe, umringt von Maschinen.
Ausgehend vom mathematischen Theorem des unendlich tippenden Affen begibt sich Björn SC Deigner in das Dickicht absurder Vorkommnisse und Sprachverwirrungen, um der Frage nachzugehen, wo der Sinn beginnt und wie er endet. Was als mathematische Anschauung für die Unendlichkeit dient, wirft die Frage nach Sinnproduktion auf: Sind wir am Ende alle tippende Affen, die versuchen, unserem eigenen Kauderwelsch Bedeutung abzuleiten? Galt die Börse einst als "Rein- bzw. Schönschrift der Welt", erscheint sie uns heute immer mehr als willkürlicher Zahlenindex. Mit dem Klimawandel haben Beschreibungen und Kartierungen von Welt ihre einstige Logik verloren. Der Kapitalismus erscheint uns immer mehr als paradoxe Lebensform, der wir unterliegen. Gehen unsere ideologischen Rahmungen fehl, so lauert auch für uns überall der Fehler, die Willkür - das Kauderwelsch.
Björn SC Deigner ist Autor für Theater und Hörspiel sowie Sounddesigner und Komponist. Seine Stücke "Der Reichskanzler von Atlantis" (2019) und "Die Polizey" (2020) sind beide am ETA Hoffmann Theater uraufgeführt und zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen worden.
Aufführungsdauer: 1 Stunde und 10 Minuten, keine Pause
"Das Thema klingt dezent akademisch und das Stück verbirgt seine philosophische Aufmachung nicht. Jedoch ist es die Leistung des Bühnenbilds von Thilo Ullrich und der Regie von Mirjam Loibl (Dramaturgie: Victoria Weich), aus diesem spröden Ausgangsmaterial ein Stück zu formen, das über die Lektüre einer zu dicht gesetzten Suhrkamp-Theorieband-Lektüre hinausgeht. So kommt diese Inszenierung weder didaktisch noch politisch noch ideologiekritisch daher. Das Ensemble belehrt nicht, zeigt nicht mit dem Finger auf gesellschaftliche Schieflagen, enthüllt nicht Komplizenschaften von Sprache und Unterdrückung. Es bleibt dem Bröckeln von allem treu und endet in konsequentem Nichts." (Fränkischer Tag)
„Schnelle Szenenwechsel und Lust am Spiel sind hier zu sehen." (nd)
"Und diesem kompakten munteren Abend ist es ständig um Perspektivwechsel zu tun: Wo ist die Bühne, wer spielt für wen, wer hat welche Erwartungshaltung, ...? Das Leben nicht im, sondern als Käfig. Ein jeder gefangen in sich selbst, doch Drinnen und Draußen sind verhandelbar." (Theater der Zeit)