\ Archiv \ Der Untertan
In unserer Lesereihe in der TREFFBAR widmet sich Stephan Ullrich in der Spielzeit 21/22 Heinrich Manns "Der Untertan".
Darin folgen wir den Erlebnissen des Opportunisten Diederich Heßling als Repräsentant einer Mentalitätsgeschichte des wilhelminischen Kaiserreichs und blicken wie durch ein Brennglas auf eine satirisch-verfratzte Version des klassischen Bildungsromans. Heßling entwickelt sich aus seiner fiktiven Kleinstadt Netzig heraus nicht zu einer ethisch und gesellschaftlich verantwortlichen Person, sondern wird in die Machtmechanismen des Kaiserreichs eingeführt und wächst zu dessen perfektem Untertan heran, mit geradezu masochistischer Lust an der Unterwerfung und der sadistischen Lust am Ausüben von Autorität. Dabei ist er keine bloße Witzfigur, sondern bietet durch viele empathische Momente auch Identifikationsspielraum: Steckt ein Stückchen Heßling nicht in uns allen?
Vollendet wurde "Der Untertan" 1914. Heinrich Mann selbst schrieb rückblickend in seinen Memoiren, dass der Erste Weltkrieg "in dem Buch nahe und unausweichlich erscheint. Auch die deutsche Niederlage. Der Faschismus gleichfalls schon: wenn man die Gestalt des 'Untertan' nachträglich betrachtet. Als ich sie aufstellte, fehlte mir von dem ungeborenen Faschismus der Begriff, und nur die Anschauung nicht."
Ein Einstieg in die sechsteilige Lesereihe ist jederzeit möglich.
I: Jugend (Dienstag, 19. Oktober)II: Doktortitel (Dienstag, 09. November)III: Zurück in Netzig (Dienstag, 07. Dezember - Verlegung ins Studio!)IV: Der Prozess (Mittwoch, 12. Januar - 18:00 Uhr und 20:00 Uhr)V: Aufstieg (Dienstag, 15. Februar)VI: Mann mit Schneid 19. April)
Eine Einführung gibt Prof. Andrea Bartl vom Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Otto Friedrich-Universität Bamberg, die auch das Nachwort für eine 2021 erschienene Neuauflage von "Der Untertan" verfasste.