\ Archiv \ Der zerbrochne Krug
Premiere am 18. März 2022
B I L D E R - G A L E R I E
Eine Einführung findet eine halbe Stunde vor Stückbeginn statt.
Die Audio-Einführung in das Stück durch die Dramaturgieassistentin Sonja Honold können Sie sich hier anhören.
Um den zerbrochnen Krug als solchen geht es fast niemandem vor Gericht, wer ihn zerbrach allerdings und was aus der Täterschaft folgt, ist für alle von äußerster Wichtigkeit. Ramponiert und zugerichtet sitzt Dorfrichter Adam am Morgen in seiner Stube, als ihm sein Schreiber die Ankunft des Gerichtsrats ankündigt. Gestrauchelt sei Adam nur, zum Straucheln braucht's ja nichts als Füße. In männerbündelnder Weise kann der Schreiber nur an ein sexuelles Abenteuer denken. Ein Abenteuer war es nicht. Zu allem Überfluss findet Adam seine Amtsperücke nicht und muss sich also barhäuptig, unter den Augen des Gerichtrates, in den Verhandlungen des Tages beweisen.
Frau Marthe Rull klagt Ruprecht an, den Schwiegersohn in spe, ihren kostbaren Krug zerbrochen zu haben, als er heimlich nachts im Zimmer ihrer Tochter war. Doch Ruprecht gibt an, dass es dort noch einen Dritten gab, den er bei dessen Flucht zwar nicht erkennen, aber noch kräftig zurichten konnte. Alle haben ein Interesse daran, einen Schuldigen zu benennen. Marthe will, dass es Ruprecht war und kein anderer, damit ihre Tochter nicht als ehrlos dasteht. Ruprecht will sich in seiner Eifersucht bestätigt wissen. Dorfrichter Adam will beweisen, dass es irgendein Mann war, der nicht Adam heißt, damit ihm nicht Amtsmissbrauch und sexuelle Nötigung vorgeworfen werden könnte. Selbst die Vermutung einer Zeugin, es könne der Teufel selbst gewesen sein, nimmt er dankbar auf: "daß ein Gott sei" wären ja einige bereit zu bezweifeln, "jedoch den Teufel hat, soviel ich weiß, kein Atheist noch bündig wegbewiesen". Nur Eve schweigt zu alledem.
Heinrich von Kleists kanonisches Lustspiel zieht seine Komik aus der Tatsache, dass jemand über sich selbst zu Gericht sitzen und sich gleichzeitig erfinderisch aus Schlingen befreien muss. Die Frage, warum Eve und ihre Beweggründe so wenig bereitwillig Gehör finden, ist nicht erst heutzutage von Belang.
Aufführungsdauer: 1 Stunde und 45 Minuten, keine Pause
Fesselnde Premiere (Fränkischer Tag)
Als die poetische Gerechtigkeit schon gesiegt zu haben scheint, buchstabiert Regisseur Fabian Gerhardt in einer atemberaubenden Szene die Vergewaltigung Eves aus. Gerhardt treibt seine Inszenierung damit über Kleists Original hinaus, worin die Tat allenfalls oberflächlich und symbolisch – der zerbrochene Krug – vermittelt wird. (Fränkischer Tag)
In Eves Garten und Zimmer erlebt das Bamberger Publikum den Dorfrichter schneidig im Rollkragenpullover, eiskalt und berechnend. Ein Schreckensbild toxischer Männlichkeit, ein Vergewaltiger. Stephan Ullrich gelingt die Janusköpfigkeit des Dorfrichters auf bemerkenswerte Weise. Er sticht aus einem glänzend aufgelegten Ensemble heraus. (Fränkischer Tag)
Der Dorfrichter Adam ist Geschichte, die seine Tat ermöglichenden Strukturen aber bleiben. Mit einem vor der Kontinuität der Gewalt kapitulierenden „Ach“ endet ein unter die Haut gehender Abend im Bamberger Theater. (Fränkischer Tag)