\ Archiv \ Kängurus am Pool
Uraufführung | Auftragswerk
Eröffnung der 38. Bayerischen Theatertage am 13. Mai 2022
Premiere am 13. Mai 2022
B I L D E R - G A L E R I E
„17 Uhr 30 ratsch. Sommer ratsch. Winter ratsch.“ Bei manchen klingt es wie eine mit Inbrunst hinuntersausende Guillotine, wenn die Rolladen nach unten gelassen werden. Welcher nachbarschaftliche Charakter versteckt sich wohl hinter dem verdunkelnden Plastik? Die Mehrfamilienhausgemeinschaft ist sich einig: kein guter, in keinem Fall; in manchem dafür ein toter. Ist auch vielleicht besser, dann kann er sich nicht mehr auf dem Balkon die Fußnägel knipsen, sodass man beim Sonnetanken davon berieselt wird.
Theresia Walser öffnet in „Kängurus am Pool“ lauter Seelenfenster und guckt den Leuten in die Wäsche. Sie findet Leichen, zwar nicht im Keller, dafür im obersten Stockwerk, einen Brockhaus stapelnden Demenzkranken, eine Hospizclownin mit diversen anderen Ausbildungen und eine suspendierte, dem Alkohol verfallene, Lehrerin. Sie alle sind wie wir, in ihrer ganzen lustigen Verzweiflung.
Theresia Walser, geboren 1967 in Friedrichshafen, ist eine der wichtigsten deutschsprachigen Dramatiker*innen. Sie ist die jüngste Tochter Martin Walsers, studierte Schauspiel und etablierte sich seit ihrem Debutstück „Kleine Zweifel“, das 1997 an den Münchner Kammerspielen zur Uraufführung kam, als Autorin. 1998 zur „Nachwuchsautorin des Jahres“ ernannt und seitdem u. a. drei Mal für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert, ist sie aus der Theaterlandschaft nicht mehr wegzudenken; mittlerweile sind ihre Stücke in 20 Sprachen übersetzt. 2011/12 hatte sie die Poetikdozentur an der Universität Koblenz-Landau inne. 2013/14 war sie Hausautorin am Nationaltheater Mannheim.
Zur Eröffnung der 38. Bayerischen Theatertage haben wir einen Stückauftrag an Theresia Walser vergeben.
Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden und 30 Minuten, eine Pause
Mit freundlicher Unterstützung des Theatervereins
Ein schwebender Abend über schwere Zeiten. (Süddeutsche Zeitung)
Broll-Pape und ihr wunderbares Ensemble haben für dieses Stück einen guten, sanften Ton gefunden. Wie die Autorin haben sie vieles der Realität abgelauscht. Auf die Bruchstellen blickt man nun als Zuschauer drauf. Dafür hat Trixy Royeck ein herrlich flexibles, reduziertes Mehrfamilienhaus auf die Drehbühne gestellt, so wird man zum Voyeur, schaut dem eigenen Leben zu. Und kann tatsächlich nach zwei Jahren Pandemie auch einmal darüber lachen, über diese verzweifelten Versuche, nicht durchzudrehen. Das ist befreiend. (Süddeutsche Zeitung)
Mit "Kängurus am Pool" gelingt dem E.T.A.-Hoffmann-Theater ein abgründiger Spaß. (Fränkischer Tag)
Aber die Schauspieler umkreisten dieses Nichts auf eine derart erhellende und unterhaltsame Weise, dass am Ende das Publikum laut und anhaltend klatschte. Ein voll besetzter Theatersaal war Zeuge davon geworden, was die Kunstform des Theaters zu leisten vermag. (Fränkischer Tag)
Stumm musste, nein, durfte Ullrich stumm mit anschauen, wie sich dank ihrer Artikulationsschärfe Marie-Paulina Schendel und Clara Kroneck aus einem groß aufspielenden Ensemble noch hervortaten. (Fränkischer Tag)
Theresia Walsers Stück, das zum Start der 38. Bayerischen Theatertage in Bamberg seine Uraufführung fand, zeigt mit viel Wortwitz und bisweilen bissigen Kommentaren eine vereinzelte Hausgemeinschaft, die bevorzugt in Dunkelheit lebt und die Stille ersehnt, aber aus dem Reden nicht rauskommt. (Nachtkritik)
Nach dem Besuch dieser Inszenierung wird man das Rasseln von Rollläden vielleicht anders hören. (Die Deutsche Bühne)
Regisseurin Sibylle Broll-Pape, Leiterin des E.T.A.-Hoffmann-Theaters Bamberg, das mit dieser Uraufführung die 38. Bayerischen Theatertage eröffnete, meistert diese erst einmal eher ziellose Erzählung, indem sie ihr diesen notwendigen Schwung verleiht, diese meditativen Drehungen um sich selbst, diese Jalousien-Knallkörper, die zugleich Bände sprechen über die akute Selbstisolierung all dieser Leute auf der Bühne. (Die Deutsche Bühne)
Es sind im übrigen die Schauspielerinnen und Schauspieler, die die Wohn-Kokons des Textes weiter aufknacken, ihnen Witz verleihen, aber immer auch die Trostlosigkeit dieser Lebensheimbewohner zeigen. (Die Deutsche Bühne)