\ Archiv \ Faust 1in2
B I L D E R - G A L E R I E
"Im Weiterschreiten find er Qual und Glück", resümiert Faust am Ende der Tragödie zweiter Teil über sich als "Tüchtigen". Das Geklirr der Spaten, die sein Grab ausheben, hält der Erblindete in ungebrochenem Fortschrittseifer für das Gewusel der Arbeiter seines zukunftsweisenden Landgewinnungsprojekts. Faust glaubt nicht an jenseitige Belohnung, sondern will im Hier und Jetzt den Kosmos der Möglichkeiten ausschreiten. Die Welt als totales "Sofort", das Leben als letzte Gelegenheit für alles. In dieser Logik und mit dem "Fluch vor allen der Geduld!" verschreibt sich Faust dem Teufel, wenn der ihn zum "Augenblicke" sagen machen könne: "verweile doch, du bist so schön". Mephisto "schleppt" Faust "durch das wilde Leben", durch die "flache Unbedeutenheit" rasant abwechselnder Bildwelten: zu Walpurgisnächten, zur Kindfrau Gretchen, zur aus dem Mythos herbeizitierten "Schönen Helena", zu alten Kriegen. Am "kaiserlichen Hof" erfindet Mephisto das Papiergeld und den Teufelskreis des modernen Finanzkapitalismus. Der Famulus Wagner erschafft im Labor den künstlichen Menschen Homunculus. Und Faust will dem Meer das Land abtrotzen: "Was ich gedacht, ich eil' es zu vollbringen." Im Furor des Machbaren muss dafür das greise Paar Philemon und Baucis, müssen Besinnung, Innehalten, Geschichtsbewusstsein, schlicht das Alte barbarisch entsorgt werden.
Faust 1 ist der Tragödie bekannterer, Faust 2 vielleicht der Tragödie brisanterer Teil, denn Goethe hat darin die Herausforderungen unserer Tage hellsichtig und dunkel zugleich vorgezeichnet: Krieg, Korruption, Naturzerstörung, Wirtschaftsturbulenzen. In dem überreichen Text lässt sich der Ausblick auf eine globale Beschleunigung aller Lebensbereiche, auf Big Data, Gentechnik und KI herauslesen und die ewige Frage, "was die Welt im Innersten zusammenhält", auch für das 21. Jahrhundert stellen.
Aufführungsdauer: 2 Stunden und 50 Minuten, inklusive einer Pause (Pause nach 1 Stunde und 30 Minuten)
Lesen Sie hier einen Beitrag des stückbetreuenden Dramaturgen Remsi Al Khalisi: Bin ich ein Gott? Mir wird so licht! (PDF)
"In "Faust 1in2" präsentiert sich eine neue Bühnenfassung als ein spannendes Schauspiel mit den Themen unserer Tage." (BR Frankenschau)
"Eine ziemlich fleißige Kompilationsarbeit, beide Texte auseinanderzufieseln und wie einen Quilt neu zu vernähen." (Nachtkritik.de)
"Logistisch ist der ganze Bühnen- und Kostüme-Apparat (die höchst phantasievolle Ausstattung ist von Trixy Royeck) mit gerade einmal acht Darstellern für zwei Fäuste in knapp drei Stunden eh stark." (Nachtkritik.de)
"Eric Wehlan ist ein lässiger, snobistisch unterkühlter Mephistopheles, der so viel gesehen hat vom immergleichen menschlichen Streben, dass er fast schon ein wenig genervt ist von seinem Seelen-Geschäft." (Nachtkritik.de)
"Von Beginn eins mit seinem Können war Daniel Klein. Am Schlagzeug untermalte er die Szenen nicht nur. Er dramatisierte sie, rhythmisierte und schärfte sie zu." (Fränkischer Tag)
"Im geistig-schöpferischen Tätigsein liegen Sinn und Selbstgenuss. Das erkannte in der Sekunde seines Todes Heinrich Faust. Ensemble und Publikum erwiesen sich dieser Erkenntnis am Freitag als würdig." (Fränkischer Tag)
"Gerade weil ihr Spiel nicht in exzentrische Selbstverausgabung kippte, rückte Wehlan seinen Mephisto und Ullrich seinen Faust den Zuschauern nahe." (Fränkischer Tag)
"Es ist geradezu wohltuend, dass nicht die Inszenierung, der Hintergrund, der offensichtliche Vordergrund sein soll, sondern der Inhalt und die Sprache." (Rezensöhnchen)
"Es ist die Tragik des Mephisto (grandios gespielt von Eric Wehlan, eine wirkliche Ausnahmeperformance), dass er es war, der den Menschen befreite." (Rezensöhnchen)
"Und trotzdem ist die Inszenierung nie hektisch, lässt Goethes Sprache Raum, Zeit und Genießbarkeit, wiewohl es nie um dessen Gesamtkunstwerk "Faust 1 und 2" geht, sondern eben mit "Faust 1in2" um eine Neuansicht." (Nürnberger Nachrichten)
"Die Rastlosigkeit des Internets,das Surfen auf der Oberfläche der Dinge,der unermüdliche Fortschritt als Abrissunternehmen an der eigenen Substanz. Wer will, kann im "Faust" diese (selbst)zerstörerische Rastlosigkeit erkennen." (Nürnberger Nachrichten)